Montag, 21. Oktober 2013

Ein guter Mensch am Höllentor


von Pedro Calderón de la Barca Henao y Riaño (1600-1681)


Die Hölle war total überfüllt, und noch immer stand eine lange Schlange am Eingang. Schließlich mußte sich der Teufel selbst herausbegeben, um die Leute fortzuschicken. "Bei mir ist nur noch ein einziger Platz frei", sagte er, "den muß der größte Sünder bekommen."


Der Teufel hörte sich die Verfehlungen der einzelnen an. Aber was auch immer sie ihm erzählten, nichts schien ihm schrecklich genug, als daß er dafür den letzten Platz in der Hölle hergeben mochte. Doch da stand noch ein Mann ganz für sich allein, den er noch nicht befragt hatte.  "Was haben Sie denn getan?" fragte ihn der Teufel. "Nichts", sagte der Mann, "ich bin ein guter Mensch und nur aus Versehen hier. "
"Aber Sie müssen doch etwas getan haben", sagte der Teufel, "jeder Mensch stellt etwas an."

"Ich sah es wohl", sagte der "gute Mensch", "aber ich hielt mich davon fern. Ich sah, wie Menschen ihre Mitmenschen verfolgten, aber ich beteiligte mich niemals daran. Sie haben Kinder hungern lassen und in die Sklaverei verkauft; sie haben auf den Schwachen herumgetrampelt. Überall um mich herum haben Menschen Übeltaten jeder Art begangen. Ich allein widerstand der Versuchung und tat nichts."
"Absolut nichts?" fragte der Teufel ungläubig, "sind Sie sich völlig sicher, daß Sie das alles mitangesehen haben?"
"Vor meiner eigenen Tür", sagt der "gute Mensch".

"Und nichts haben Sie getan?" wiederholte der Teufel. "Nein! " "Komm herein, mein Sohn, der Platz gehört dir! "

Und als er den "guten Menschen" einließ, drückte sich der Teufel zur Seite, um nicht mit ihm in Berührung zu kommen.

5 Kommentare:

  1. Das ist ja eine interessante Geschichte, aber mir ist nicht ganz klar, warum der Teufel den guten Menschen herein gelassen hat. Oder hat er ihn herein gelassen, weil er nichts unternommen hat, um die Welt zu verbessern, und den unterdrückten zu helfen? In jedem Fall macht diese Geschichte mich nachdenklich, und das ist ja gut.

    Ich hoffe, die geht es gut,
    und sende dir viele liebe Grüße
    Conchi

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  2. Wie Molière sagte: "Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun."

    Wie Du ja selbst beobachtest, ist Wegsehen, -hören, nichts sagen und nichts tun en vogue (damals, wie heute)....

    wir hören wieder ;-)
    herzlichst
    M

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  3. Diese Geschichte gefällt mir sehr gut! Ich sage auch mir selbst immer wieder: Wir alle werden auch nach dem beurteilt werden, was wir nicht getan haben!

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    1. was ich Dir / Uns zurufen möchte: auch und gerade für das, was wir für uns nicht getan haben :-/
      wünsche Dir alles GLÜCK für Deine Vorhaben!

      http://youtu.be/2gvgkHSyKFE

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    2. Ein wunderschönes Video!
      Alles Gute, Kiat

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